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Digitalisierung in Italien

25.01.2021

Die COVID-Pandemie, die in Italien besonders hart zuschlägt, beschleunigt die digitale Transformation auch in der öffentlichen Verwaltung des Landes. Immer mehr Dienstleistungen und Transaktionen werden online abgewickelt.

Italien mit Möve

Die Fortschritte der Digitalisierung sind allerdings regional sehr unterschiedlich, wie die Software-Beratungsfirma FPA in ihrer Städte-Rangliste 2020 feststellt. Der Süden hinkt wie meist hinterher. Es bestehen aber gute Chancen, dass Italiens öffentliche Verwaltung aus der COVID-Krise effizienter und (vielleicht) auch schlanker hervorgehen wird.

COVID treibt die Digitalisierung in Italien voran

Die COVID-Pandemie hat in Italien bisher über 80 000 Tote gefordert. Das Gesundheitssystem ist am Anschlag, das öffentliche Leben liegt lahm und die Wirtschaft leidet. Die politisch Verantwortlichen mussten Entscheidungen treffen, für die es keine Handlungsanweisungen gab.

Das öffentliche Leben verlagert sich in den virtuellen Bereich. COVID-19 hat die Digitalisierung nicht nur in der Privatwirtschaft, sondern auch in den bürgernahen Bereichen der öffentlichen Verwaltungen Italiens, beschleunigt. Homeoffice ist in Mode gekommen, Pizza und Pasta werden online bestellt und nach Hause geordert. Die Zahl der Transaktionen über das Internet nimmt signifikant zu. Italien, bis dato ein klassisches Land von Barzahlern, entdeckt (zwangsläufig) die Kreditkarte und andere elektronischen Zahlungsmöglichkeiten.

Florenz liegt vorne

Die Digitalisierung verläuft allerdings nicht einheitlich. Wie so oft hängt der Süden des Landes bis auf wenige Ausnahmen hinterher. Vorne liegen die Metropolen des Nordens. Nach Erkenntnissen der IT-Firma FPA in Rom, die öffentliche Verwaltungen bei der Digitalisierung berät und welche jedes Jahr eine Städte-Rangliste erstellt, ist Florenz die digitale Hauptstadt Italiens (mit 872 von 1000 möglichen Punkten), vor Bologna (866) und Mailand (855). Es folgen Rom (847), Modena (830), Bergamo (809), Turin (787), Trient (783), Cagliari mit 752 Punkten einzige Vertreterin des Südens unter den Top Ten sowie auf Platz zehn Venedig (748).

Insgesamt analysierte FPA in ihrem ICity Ranking 2020 die Hauptorte der 107 italienischen Provinzen.

Bewertet wurde nach acht Indikatoren:

  • Internetzugang zum Dienstleitungsangebot der öffentlichen Verwaltung
  • Verfügbarkeit von öffentlich nutzbaren Applikationen
  • Anwendbarkeit zugelassener digitaler Plattformen
  • Nutzung sozialer Medien
  • Verfügbarkeit frei nutzbarer Daten (open data)
  • Transparenz
  • Vorhandensein öffentlicher Wifi-Netze
  • Technische Voraussetzungen zum Aufbau intelligenter Netze
     

Dabei zeigte sich laut FPA, dass sich die Prozesse der digitalen Transformation in allen acht betrachteten Bereichen generell beschleunigen – allerdings nicht linear, sondern in unterschiedlichem Umfang.

Hinter den Top Ten rangiert eine Gruppe von 15 Kommunen auf «fortgeschrittenem» Digitalisierungsniveau: Parma, Reggio Emilia, Palermo, Pavia, Brescia, Genua, Lecce, Cremona, Prato, Bari, Pisa, Verona, Vicenza, Bozen und Forlì. Mit einem als «diskret» eingestuften Digitalisierungsgrad folgen Rimini, Mantua, Livorno, Monza, Piacenza, Siena, Ravenna, Treviso, Udine, Perugia, La Spezia, Neapel, Ferrara, Novara, Pordenone, Padua, Triest, Lodi, Arezzo, Pesaro, Ancona, Verbania und Lecco. Im Mittelfeld der Rangliste erscheinen 24 Provinzhauptstädte auf «mittelmässigem» Qualitätsniveau und weitere 27, bei denen die Digitalisierung gerade erst in Angriff genommen wurde. Als «kritisch rückständig» bewertet FPA den Zustand der Digitalisierung bei den Schlusslichtern der Rangliste: Taranto, Avellino, Caserta, Carbonia, Nuoro, Enna, Chieti und Agrigento, das gerade noch 168 Punkte kassierte.

Kulturelle und organisatorische Widerstände

FPA-Generaldirektor Gianni Dominici fasst das Ergebnis der Studie so zusammen: «Der Prozess der digitalen Transformation der italienischen Städte und ihrer Verwaltungen hat sich in diesem schrecklichen Jahr 2020 nicht verlangsamt, er hat sich im Gegenteil vielfach beschleunigt und es ermöglicht, organisatorische und kulturelle Widerstände zu überwinden».

Es gibt aber in verschiedenen Bereichen noch viel zu tun: Abgesehen von regionalen Unterschieden ist die «digitale Kultur» noch bei weitem nicht überall und von jedem Beteiligten verinnerlicht, weder innerhalb der öffentlichen Verwaltung noch bei den einzelnen Bürgern. «Bei der Implementierung und der Anbindung intelligenter Netze befinden wir uns noch in der «embrionalen Phase», nicht nur in der effektiven Anwendung, sondern auch im Verständnis der sich bietenden Möglichkeiten“, stellt FPA fest. Aber der sich anbahnende Lernprozesss sei nötig, den Kommunen den Weg zur fortschrittlichen «Smart City» zu bereiten, zu jenen «responsive and adaptive cities», die in der Lage sind, Informationen zu bündeln und zu nutzen und alle Beteiligten an den Dienstleitungen und Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung teilhaben zu lassen.

Innovationspotenzial

Aus der COVID-Krise wird Italiens öffentliche Verwaltung «digitaler», effizienter und moderner hervorgehen. Es wird ein breiteres Online-Angebot der öffentlichen Dienstleistungen geben. Die digitalen Innovationen werden nicht zuletzt durch das steigende Homeoffice zunehmen. Das hat FPA in zwei repräsentativen Umfragen unter den öffentlichen Bediensteten (Anwender) und der Bevölkerung (Nutzer) festgestellt. Demnach sehen 57% der Befragten schon heute eine Effizienzverbesserung der öffentlichen Verwaltung dank vermehrter Digitalisierung. Der Zugang zu den Dienstleistungen sei einfacher und schneller geworden. 21% sehen in der Digitalisierung eine negative Entwicklung, weil ihnen entweder das Instrumentarium zum Zugang oder einfach die Kompetenz der Nutzung fehlt. Die restlichen Umfrageteilnehmer haben entweder keine Meinung oder sehen keine Verbesserung in der Qualität der Dienstleistungen.

53% sehen weiteres Innovationspotenzial durch Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen im Homeoffice. Während 13% der Befragten der Digitalisierung keinen substanziellen Einfluss zur Verbesserung der Verwaltungsqualität beimessen, erkennen beachtliche 29% darin ein Risiko, weil dadurch der hinlänglich bekannte «Assenteismo» - das Fernbleiben der öffentlichen Bediensteten vom Arbeitsplatz - und ein «opportunistisches Verhalten» dieser Personengruppe gefördert würde.

Noch viel zu tun

Auch die meisten befragten öffentlichen Bediensteten halten smart working für eine gute Sache, es bedürfe aber noch eines Qualitätssprungs zur besseren Ergebnisorientierung sowie vermehrt interne Kommunikation. Vor allem müsse sich die öffentliche Verwaltung Italiens darauf vorbereiten, die rund 300 Milliarden Euro an EU-Hilfsgeldern aus dem Recovery Fund in den nächsten Jahren sinnvoll und ordnungsgemäss einzusetzen und zuzuteilen. Eine Mammutaufgabe, an der gerade die Regierung des Ministerpräsidenten Giuseppe Conte gescheitert ist, weil der kleinste Koalitionspartner offensichtlich aus politischem Opportunismus seine Unterstützung aufgekündigt hat.

Die Mehrheit der Befragten (50% der Nutzer, 60% der öffentlichen Bediensteten) sind der Meinung, dass die EU-Gelder zentralisiert und unter einheitlicher Regie verwaltet werden sollten. 27% sähen es lieber, wenn die Regionen die Zuteilungskompetenz erhielten und 13% würden die Zuständigkeit der Vergabe durch lokale Behörden bevorzugen.

Unabhängig von der Kompetenz hat Italien Bedarf an neuen professionellen Qualifikationen, um die Aufbaupropjekte voranzutreiben, die mit den Recovery Fund-Geldern zu finanzieren sind. Den öffentlichen Verwaltungen fehlt es Insidern zufolge an Finanzprofis wie Fondsverwaltenden, an Projektmanagenden sowie IT-Spezialisierten. Nicht zuletzt wird bei Forderungen nach qualifizierten Verbesserungen auch eine «radikale normative Vereinfachung» der aufgeblähten und lähmenden Bürokratie gefordert.

Klare Priorität haben nach Ansicht von 53% der Befragten Projekte im Gesundheitswesen (53%), deutlich vor Bildung, Ökologie, Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, Digitalisierung, soziale Gleichheit sowie Infrastruktur und Mobilität.
 

In Zusammenarbeit mit Aquila
Bilder, Heidi Erni Labhart

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